
Wie mit Hormonskepsis umgehen?
09.09.2025
Praxismanagement
Hintergrundwissen
„Ich will keine Hormone!“ – ein Satz, den Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen mittlerweile womöglich regelmäßig hören. Besonders bei jüngeren Patientinnen nimmt die Skepsis gegenüber hormonellen Verhütungsmitteln zu. Die Ablehnung wirkt oft pauschal, emotional aufgeladen und wenig zugänglich für medizinische Argumente.
Was dahintersteckt, ist oft keine rationale Nutzen-Risiko-Abwägung im klassischen Sinne, sondern ein Geflecht aus:
- Fehlinformationen aus sozialen Medien
- Ängsten vor Spätfolgen wie Krebs oder Depression
- einem starken Bedürfnis nach Selbstbestimmung und Natürlichkeit
- negativen Erlebnissen im Freundeskreis oder mit Ärztinnen oder Ärzten
- dem Wunsch, sich nicht „fremdbestimmt“ zu fühlen
Die sogenannte „Hormonphobie“ ist selten medizinisch begründbar, aber psychologisch und soziokulturell nachvollziehbar. Sie bedarf daher einen sensiblen, aufklärenden und respektvollen Umgang.
5 Strategien für gelungene Gespräche mit hormonskeptischen Patientinnen
1. Zuhören und validieren
Ziel: Vertrauen aufbauen, Beziehung etablieren, emotionale Sicherheit schaffen.
Viele Patientinnen haben erlebt, dass ihre Bedenken abgetan wurden. Wer hier erst einmal einfach zuhört, vermittelt Respekt und schafft die Basis für weiterführende Gespräche.
Beispiel: „Ich merke, dass Sie sich intensiv mit dem Thema beschäftigt haben – das finde ich gut. Was genau beunruhigt Sie an hormonellen Präparaten?“
2. Mythen sanft entkoppeln
Ziel: Fehlinformationen aufklären, ohne zu belehren oder zu konfrontieren.
Direkter Widerspruch wirkt oft wie ein Angriff. Besser ist es, die Patientin einzuladen, sich gemeinsam mit Ihnen die Informationen anzuschauen.
Beispiel: „Es gibt viele Meinungen über Hormone – manche stimmen, andere sind sehr pauschal. Möchten Sie, dass ich Ihnen zeige, wie es sich bei dem Präparat verhält, das ich bei Ihren Beschwerden / in Ihrer Situation empfehlen würde?“
3. Den Nutzen in der Lebensrealität verankern
Ziel: Hormone nicht als abstraktes Medikament, sondern als konkrete Lösung für ein Problem sichtbar machen.
Wenn der Nutzen emotional nachvollziehbar wird, steigt die Offenheit.
„Sie haben erwähnt, dass Ihre Haut Sie sehr belastet. Es gibt Präparate, die sowohl verhüten als auch Hautunreinheiten deutlich reduzieren – das könnte Ihren Alltag spürbar erleichtern.“
4. Entscheidungsspielräume betonen
Ziel: Autonomie zurückgeben, Wahlmöglichkeiten aufzeigen.
Patientinnen mit Hormonphobie fürchten oft, in eine Richtung gedrängt zu werden. Entscheidend ist daher eine Sprache, die Mitbestimmung betont.
Beispiel: „Sie entscheiden, ob und was Sie ausprobieren möchten. Wir können gemeinsam starten – und wenn Sie merken, dass es nicht passt, überlegen wir neu.“
5. Aufklärung anschaulich und dosiert gestalten
Ziel: Komplexe medizinische Informationen visuell und verständlich vermitteln.
Viele Missverständnisse entstehen aus mangelndem Verständnis. Ein einfaches Schaubild oder eine Metapher kann Wunder wirken.
Beispiel: „Stellen Sie sich das Präparat wie einen Schutzschirm vor: Es verhindert, dass bestimmte Hormonsignale Ihre Haut reizen. Möchten Sie, dass ich Ihnen kurz zeige, wie das funktioniert?“
Praxisbeispiel
Eine 20-jährige Patientin mit starker Akne lehnt eine Pille ab, weil sie „keine Hormone will“. Im Gespräch wird deutlich: Ihre Ablehnung beruht auf Berichten aus dem Internet und der Sorge, sich selbst zu verlieren.
Die Gynäkologin reagiert nicht mit Korrektur, sondern mit Verständnis:
Beispiel: „Viele junge Frauen haben heute Bedenken – und es ist gut, dass Sie diese ansprechen.“
Im weiteren Verlauf erklärt sie mit einem Schaubild die antiandrogene Wirkung der Pille und schlägt vor:
„Wir könnten das für drei Monate ausprobieren und gemeinsam schauen, wie es Ihnen damit geht – was halten Sie davon?“
Die Patientin fühlt sich ernst genommen und willigt in einen Therapieversuch ein.
Fazit
Hormonskepsis ist ein komplexes Zusammenspiel aus Emotion, Information und Identitätsfragen. Wer es schafft, zuzuhören, Fehlannahmen behutsam zu entkoppeln und nützliche Alternativen aufzuzeigen, kann selbst bei skeptischen Patientinnen einen Wandel anstoßen – von Ablehnung hin zu Offenheit.
Denn am Ende geht es nicht um Überzeugung – sondern um Begleitung, Information und eine informierte Entscheidung.