Wenn es knirscht - Konflikte innerhalb des Praxisteams

30.07.2025
Praxismanagement

In jeder Praxis, in jedem Team, entstehen Spannungen. Konflikte sind nicht das Problem, sondern wie wir mit ihnen umgehen. Denn Konflikte entstehen meist dort, wo Bedürfnisse, Erwartungen oder Arbeitsabläufe nicht zusammenpassen – und nicht rechtzeitig angesprochen werden.

Konflikte sind kein Versagen - sondern ein Signal
In gynäkologischen Praxen kommen oft viele Belastungsfaktoren zusammen: Zeitdruck, emotionale Gespräche mit Patientinnen, Hierarchien im Team und wenig geschützter Raum für offene Kommunikation. Umso wichtiger ist es, Konflikten einen Platz zu geben und Wege zu finden, sie konstruktiv anzusprechen.
Dieser Beitrag richtet sich an alle, die in der Praxis zusammenarbeiten – als Ärztin oder Arzt, als MFA, in Leitungsfunktion oder im kollegialen Miteinander. Denn Konflikte entstehen auf allen Ebenen: zwischen Mitarbeitenden, zwischen MFA und Praxisleitung oder auch im Führungsteam selbst. Eine gute Konfliktkultur geht alle an und stärkt das gesamte Team.
 

Woran erkenne ich einen schwelenden Konflikt?
Ein sich anbahnender Konflikt zeigt sich selten sofort offen. Oft beginnt er subtil: Durch kurzangebundenes Verhalten, einen gereizten Ton oder ausweichende Kommunikation. Aufgaben werden nur noch nach Vorschrift erledigt, Themen tauchen immer wieder auf, ohne direkt angesprochen zu werden. Ironie, Rückzug oder stille Vorwürfe bestimmen zunehmend die Stimmung. Statt offener Worte fallen Sätze wie „Das war doch klar!“, die klärende Gespräche ersetzen. Deutlich wird: Konflikte zeigen sich zuerst auf der Beziehungsebene – nicht im Dienstplan.
 

Was hinter Konflikten oft steckt: Das Prinzip der unerfüllten Bedürfnisse
Nach Marshall B. Rosenberg, dem Begründer der Gewaltfreien Kommunikation (GFK), liegen Konflikten meist nicht die Fakten zugrunde, sondern nicht erfüllte Bedürfnisse.
Ein Beispiel: Eine MFA ist verärgert, weil sie wieder allein am Empfang sitzt. Das dahinterliegende Bedürfnis ist nicht „mehr Personal“, sondern gesehen zu werden, eine gerechte Verteilung und Wertschätzung.
Die Kunst liegt darin, nicht mit Vorwürfen zu reagieren, sondern die (eigenen) Bedürfnisse zu erkennen und klar zu formulieren.
 

Vier Schritte zur konstruktiven Konfliktklärung (nach Rosenberg)
Beispiel für die Klärung des Konflikts aus Sicht der MFA:
  • 1. Beobachtung benennen – ohne Bewertung: „Mir ist aufgefallen, dass ich heute durchgehend allein am Empfang war.“
  • 2. Gefühl ausdrücken: „Das hat mich frustriert und gestresst.“
  • 3. Bedürfnis benennen: „Mir ist eine faire Verteilung und gegenseitige Entlastung wichtig.“
  • 4. Bitte formulieren: „Können wir künftig morgens gemeinsam abstimmen, wie wir einteilen?“
  • Tipp: Diese Methode braucht Übung – wirkt aber enorm deeskalierend.
 
Worauf es in der Konfliktkommunikation wirklich ankommt
Konflikten lässt sich am besten begegnen, indem man sie frühzeitig anspricht, statt sie in sich hineinzufressen. Ein offenes Ohr ist dabei ebenso wichtig wie das eigene Wort. Zuhören mit echter Offenheit bedeutet, nicht in Rechtfertigungen zu verfallen, sondern wirklich verstehen zu wollen, was die andere Person bewegt. Und nicht zuletzt hilft es, zwischen Person und Verhalten zu unterscheiden. Zum Beispiel durch eine Haltung wie: „Ich ärgere mich über die Situation – nicht über dich.“
 

Praxistool: Konfliktgespräch vorbereiten – 5-Minuten-Reflexion
Vor einem Gespräch mit Kolleginnen, MFA oder Vorgesetzten:
  • Was genau hat mich gestört? (Beobachtung, ohne Wertung)
  • Was habe ich dabei gefühlt?
  • Was brauche ich/was wünsche ich mir?
  • Was möchte ich konkret sagen?
  • Was ist mein Ziel für dieses Gespräch?
→ Diese kurze Selbstklärung verändert den Ton des Gesprächs – und oft auch den Verlauf.
 

Regelmäßige Teamsitzung = Raum für Konfliktprävention
Wer sich im Praxisalltag regelmäßig zuhört, beugt Eskalationen vor. Eine Praxis, die sich bewusst Zeit nimmt für gemeinsame Reflexion – etwa mit Fragen wie:
  • „Was lief gut?“
  • „Was war herausfordernd?“
  • „Was wünschen wir uns als Team?“
→  schafft eine Kultur, in der Konflikte nicht vermieden, sondern gemeinsam gelöst werden.
 

Zusammengefasst: Konflikte ansprechen heißt, Beziehungen ernst nehmen
In einem gut funktionierenden Praxisteam werden Konflikte nicht ignoriert, sondern gemeinsam geklärt. Nicht, weil alles immer harmonisch sein muss, sondern weil Klarheit, Respekt und Wertschätzung stärker wirken als Schweigen. Konfliktfähigkeit ist der Beweis, dass Teamarbeit mehr ist als nur Zuständigkeiten – sie ist Beziehungsgestaltung.
 

Vertiefende Literatur zur Konfliktkommunikation
Wenn Sie die Grundlagen aus diesem Kapitel vertiefen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Werke:

Marshall B. Rosenberg: Gewaltfreie Kommunikation. Eine Sprache des Lebens. Junfermann Verlag, 14. Auflage, 2021. ISBN: 978-3-95571-746-0
→ Einführung in die vier Schritte der gewaltfreien Kommunikation: Beobachtung, Gefühl, Bedürfnis, Bitte

Friedemann Schulz von Thun: Miteinander reden 1 – Störungen und Klärungen. rororo Verlag, 2001. ISBN: 978-3-499-17489-6
→ Verständigungsprobleme analysieren, Beziehungsebenen erkennen

Paul Watzlawick: Anleitung zum Unglücklichsein. Piper Verlag, 1983. ISBN: 978-3-492-21013-3
→ Humorvolle, psychologisch fundierte Einblicke in Kommunikationsstörungen